KGV Abendsonne baut Strohballen-Laube nach alter Technik

Was heute wie ein innovativer Trend wirkt, hat in Wahrheit eine lange Geschichte: Der Bau mit Strohballen reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück und stammt aus den USA. Doch auch in Europa wurde Stroh als Baustoff lange geschätzt, denn er ist leicht, gut dämmend und regional verfügbar. Im Kleingartenverein “Abendsonne” in Leipzig entstand jüngst eine Laube, die ganz auf das natürliche Material setzt. Warum das Bauen mit Stroh nicht nur nachhaltig, sondern auch erstaunlich alltagstauglich ist – und was es dabei zu beachten gibt – erklärt Adrian Bürkner, Gartenfachberater im KGV Abendsonne.
KGV Abendsonne errichtet Laube in Strohballen-Bauweise
Im modernen Hausbau liegt die Wiederentdeckung von alten Baumaterialien im Trend: Viele Baustoffe wie Beton oder Zement sind unwirtschaftlich geworden. Weite Anfahrtswege von beispielsweise Bausand aus aller Welt und extrem hohe Temperaturen bei der Herstellung von Zement und Mörtel haben die Preise in die Höhe schnellen lassen. Anders der Weg zur nächsten Lehmbaugrube oder zum örtlichen Sägewerk: Transportketten werden kürzer, Energie wird gespart. CO2 in Holz und Stroh wird dauerhaft eingespeichert und damit auch das Klima geschont.
Das Strohballenhaus in der Kleingartenanlage “Abendsonne” in Leipzig. Hier noch unverputzt.
Ein weiterer großer Vorteil beim Bau der Gartenlaube: sollte das Haus einmal zurück gebaut werden, bleibt kein Sondermüll wie bei Styropor, Zement oder Dachpappe zurück, der unmöglich rückstandsfrei entfernt werden kann. Denn die Baumaterialien werden hier praktisch wieder zu Mutterboden. Auch dies ist eine Kehrtwende: In Deutschland war die Baubranche bisher mit 55,4 % des anfallenden Gesamtmülls mit Abstand der größte Müllproduzent. Ein weiterer Vorteil: Lehm, Holz und Stroh sind atmungsaktiv, können also Feuchtigkeitsunterschiede gut ausgleichen, Dadurch kommt es bei guter Planung nicht zu Staunässe und Schimmel.
Strohballen und Holz regulieren Klima in der Laube
Diese Überlegungen brachten uns auf den Gedanken, diese Bauweise selbst auszuprobieren, um das angenehme Wohnklima von konstanten 50 % Raumfeuchtigkeit und die Schadstoff-bindenden Eigenschaften des Lehms selbst erleben zu können. Da kam es gerade zur richtigen Zeit, dass wir im KGV Abendsonne eine Parzelle ohne Bebauung entdeckten. Die Offenheit des Vorstandes für das Vorhaben setzte letztlich den Grundstein.
Zum erfolgreichen Beginn des Baus mussten zunächst ein paar Hürden für das unkonventionelle Projekt genommen werden. Zunächst durfte ein zertifizierter Statiker für den Neubau gefunden und zahlreiche handwerkliche Techniken neu erlernt werden. Dienlich waren hierbei auch der Fachverband für Strohballenbau (FASBA), zahlreiche Zurufe von Handwerkern und der Erfahrungsaustausch im Internet. Denn die Szene ist gut vernetzt.
Die Strohballen mussten nach dem Einsetzen in das Ständerwerk noch komprimiert werden.
Lehm und Stroh sind nachhaltig und gesund
Nachdem die Baukommission grünes Licht gegeben hatte, wurden 25 Punktfundamente gegossen und Trägerbalken aufgeständert. Für das folgende Holzständerwerk wurden vom Sägewerk 6 cm dicke Lärchenbohlen angeliefert, die Strohballen stammten von einem lokalen Landwirt. Anschließend wurden die Holzständer im Abstand der Breiten der Strohballen errichtet (38 cm Breit), sodass diese danach in die entstandenen Fächer eingeschoben werden konnten. Dabei war es wichtig, dass die Ballen weiter komprimiert und so unter Spannung ausgefacht wurden.
Abschließend verputzten wir die Wände in zwei Durchgängen mit Lehm. Dieser Arbeitsschritt ist zeitintensiv, lässt sich allerdings auch von Laien schnell erlernen, sodass die Baustelle zeitweilig gefüllt von fleißigen Helfern war – auch zu Freude der Kinder. Denn der Baustoff Lehm hat eine angenehme Beschaffenheit, ist gutmütig bei der Verarbeitung und lässt sich unbegrenzt anfeuchten und neu verarbeiten. Eventuelle Schäden in den Lehmwänden können angefeuchtet und ausgebessert werden. Und im Gegensatz zu Zementputz kann abgeklopftes Material direkt wiederverwendet werden.
Strohballenhaus braucht Zeit und viele helfende Hände
Bei der Dämmung des Ziegeldachs kam das feuchtigkeitstolerante Material Hanffaser zum Einsatz. Dabei wurde der gesamte Bau nach dem Prinzip des konstruktiven Holzschutzes gebaut. Das heißt, dass unter dem Holz und im Dach ein konstanter Luftstrom herrscht, der entstehende Feuchtigkeit wieder abtransportiert. Hat sich der ganze Aufwand gelohnt?
Direkt vorab: die Errichtung erforderte einen hohen Zeitaufwand, viele helfende Hände sind also von Vorteil. Dadurch sind geschätzt 3000 Arbeitsstunden in Bau und Planung des Hauses geflossen. Vor allem durch mangelnde Vorerfahrung streckte sich der Bau über zwei Sommer. Dabei spielten aber auch die vielen Materialanfahrten, das tägliche Verstauen der Werkzeuge sowie die einzuhaltenden Ruhezeiten eine einschränkende Rolle. Wir hatten keinerlei planerisches oder handwerkliches Vorwissen. Durch die nun erlernten Kenntnisse ließe sich die aufgewendete Zeit in Folgeprojekten sicherlich halbieren.
Mit viel Fleiß entstand eine Laube in alter Bautechnik.
Ansonsten entspricht die 24 qm- Laube allen Anforderungen der Rahmenkleingartenordnung. Auch an frischen Herbsttagen lässt es sich nach vollbrachten Gartenarbeiten noch im Haus aufwärmen. Denn einfallende Sonnenstrahlung wird von den Wänden gespeichert und verzögert abgegeben. Die Erfahrung aus dem ersten Frühling bzw. Herbst zeigt: die Laube hat eine beeindruckende Dämmwirkung, sodass sie sich auch hervorragend zur Frühjahrsanzucht eignet. Übrigens: Mäuse und Ungeziefer lassen sich mit einigen Tricks in der Konstruktion erfolgreich abschrecken.
Alles in allem war der Bau eine abenteuerliche Reise, die nicht nur viel Freude gemacht hat. Zusätzliche konnten wir unser handwerkliches Wissen erweitern und unsere planerischen und kommunikativen Fähigkeiten verbessern. Wir sind froh über das Ergebnis und können die Bauweise allen ans Herz legen, die Zeit, Neugier und begeisterte Helfer mitbringen – alles andere lernt man auf dem Weg.
Aufstellung der Kosten für die Strohballen-Laube
Holzkosten | 3395,61 € |
Lehmputz | 637,00 € |
Dachziegel | 70,00 € |
Beton | 51,70 € |
Dämmung Boden/Dach | 1130,75 € |
Strohballen | 450,00 € |
Fenster + Tür | 400,00 € |
Sonstiges (Schrauben,Farben, Elektrik, etc.) | 572,21 € |
Materialfahrten | 293,96 € |
Summe | 7001,23 € |
Adrian Bürkner, Gartenfachberater KGV Abendsonne und Biotechnologe MSc
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